Donnerstag, 29. Dezember 2016

Wildpinkler und Penisneid

Manneken Pis, Brüssel,
Wiki Commons/Mirabella CC BY-SA3.0


Prof. Egon Willich ist Leiter des in Potsdam siedelnden universitären Instituts für soziologische Psychoanalyse. Er gilt weltweit als Fachmann für die postmoderne Freudforschung, als Anhänger dessen Lehren er sich nie verborgen hält.

RL: Herr Prof. Willich Sie sind einer der engagiertesten Freudanhänger der Gegenwart und dafür weit über die Grenzen des deutschen Sprachraums berühmt…

Willich: Das ist zu viel der Ehre, wenn ich Sie unterbrechen darf, wo kann ich meine Aktentasche abstellen?

RL: In der Garderobe.

Willich: Nein, das ist mir zu weit, ich führe einige Belege in ihr mit, ich benötige sie daher stets in meiner Nähe.

RL: Neben ihrem Sessel würde sie wohl auch niemanden stören.

Willich: Danke. Also in der Tat bekenne ich mich zu Siegmund Freud und seinen Lehren und ich bin überzeugt, dass gerade die gegenwärtigen enormen neurobiologischen Fortschritte seine Kritiker – ja eigentlich möchte ich sie mit einem Modewort belegen: postfaktischen Kritiker - eines Besseren belehren werden. Wissen Sie, Freud konnte den Menschen ja noch nicht ins Gehirn schauen und alles gewissermaßen nur von außen her, der Erscheinung nach notifizieren. Aber ohne seine Einsichten würden wir die Wege, die sich uns heute hier offenbaren, niemals verstehen können.

RL: Nun, gerühmt wurde und wird er nach wie vor, aber es gab und gibt da auch heftige Gegenreaktionen…

Willich: Selbstredend, wie sollte es auch anders sein. Was Freud uns verstehen ließ, liegt zu nahe am Leben und greift zu unmittelbar in vieler Menschen Selbstverständnis ein…

RL: Wie etwa das der Feministinnen?

Willich: Das musste natürlich so kommen. Sie denken an seine Vorstellung vom Penisneid der Frauen, eine Provokation für unsere modernen Feministinnen. Das meinte ich gerade mit postfaktisch, also in der Bedeutung sich den Tatsachen zu widersetzen.

RL: Können Sie uns ein wenig seine Theorie erklären.

Willich: Gerne, sehr gerne. Also der leibliche Unterschied zwischen Mann und Weib kann hier nun kaum geleugnet werden. Aber schon die Annahme, dass solche Unterschiede Implikationen mit sich führen, übersteigt die Wahrnehmungsfähigkeit mancher Kritiker oder muss ich KritikerInnen sagen? Freud beschrieb nun, dass kleine Mädchen schon im Alter zwischen drei und fünf Jahren diesen Unterschied bemerken und ein solches Glied an sich vermissen. Sie erfahren diesen Umstand als einen Mangel, der sich auch in einer besonderen Beziehung zu ihrem Vater, dem es an diesem Teil gerade nicht mangelt, niederschlägt. Sie fühlen sich der männlichen species gegenüber unterlegen, als seien sie kastriert, was in ihnen ein starkes Neidgefühl erregt, mithin den Penisneid. Dieser beeinflusst fürderhin ihr Verhältnis zum anderen Geschlecht, vielleicht weniger im Einzelnen, aber umso mehr jedoch, wenn es ums Allgemeine geht.

RL: Dazu gibt es aber viele gegensätzliche Meinungen, auch manche Vorwürfe gegen Freud.

Willich: Ja, ja , in der Tat. Man hielt ihm vor, ein Propagandist des Patriarchats zu sein, manche milderten den Vorhalt auch ab, er könne sich der Indoktrinierung durch eine patriarchale Gesellschaft schwerlich entziehen. Weibliche Psychologen oder muss ich von weiblichen PsychologInnen sprechen, stilistisch ein Hendiadyoin, also, wie dem auch sei, sie konterten mit dem Gebärneid des Mannes, manche auch mit einem Stillneid. Nun gibt es durchaus Kulturtheorien, die die Wandlung einer matrilinearen Gesellschaft zu einer patriarchalen durchaus mit der Erkenntnis der eigenen männlichen Zeugungsfähigkeit in Verbindung bringen, aber das sind gesellschaftliche und kulturelle Erwägungen, die zumindest in der unmittelbaren Wahrnehmung im Rahmen einer frühkindlichen Entwicklung noch keine Wirkung zu erzeugen vermögen. Jedenfalls war und blieb seitdem die Theorie über den Penisneid ein rotes Tuch für viele Feministinnen.

RL: Und hat sie sich bewahrweitet oder auch nur bewährt?

Willich: Psychologische Theorien, zumal von soziologischer Wirkungsmacht, können sich natürlich nicht wie naturwissenschaftliche Annahmen bewahrheiten. Aber hier wie dort bemühen wir uns heute ja auch zunehmend nur, den Wirkungsgrad von Theorien auf ihre Hilfe, Zusammenhänge wenigstens zu verstehen, zurückzuführen. Und da mehren sich nun gerade im Verhalten der Menschen, wie etwa im Zusammenhang mit feministischen Forderungen, im soziologischen Bereich Beispiele, die eigentlich nur unter Zuhilfenahme dieser Theorie des alten Freuds wieder einmal in ihrer kulturellen und gesellschaftlichen Dominanz gedeutet werden können. Hinzutritt natürlich auch, dass unsere gegenwärtige Gesellschaft gerade auf solchem Felde Deutungsmacht den feministisch besonders aktiven Kreisen recht bedingungslos überlassen hat, bis hin zu politischen Generalvollmachten in Gesetzen, die von ahnungslosen Abgeordneten verabschiedet wurden.

RL: Sie meinen den Geschlechterkampf?

Willich: Im Ergebnis schon, aber im Einzelnen wird dies verdeckt durch scheinbar harmlose zivilisatorische oder auch hemmungslose Verallgemeinerung von Missständen in bestimmten, eigentlich abgrenzbaren Bereichen.

RL: Das müssen Sie uns näher erläutern.

Willich: Ja, nehmen sie zum Beispiel das gesellschaftsdogmatisch sicherlich recht harmlos erscheinende Problem des sogenannten Wildpinkelns. Damit ist das von Männern seit je gepflogene Entleeren ihrer Blase in stehender Haltung im Freien gemeint. Die männliche körperliche Konstitution bevorzugt sie hier natürlich ungemein den Frauen gegenüber. Ohne seine Körperhaltung auffallend verändern zu müssen, bedarf es nur der Öffnung des hierfür besonders vorgesehenen Schlitzes der  Hose eines Mannes - bekanntlich seither auch ein modisches Accessoire zur Unterscheidung von Männer- zu Damenhosen, seitdem man auch den Frauen die Verwendung von solchen Beinkleidern erlaubt hatte. Sein zum Entleeren bereites Glied kann ein Mann sogar geschickt mit der Hand verdecken, so dass man zwar der eingenommenen Haltung insgesamt die Handlung zu entnehmen vermag, aber ohne sich etwa dabei entblößen zu müssen -natürlich eine Hemmschwelle für jede weibliche Wildpinkelei, mit der zudem auch ein tiefes Abtauchen in eine Hocke, eine durchaus auch als unterwürfig zu deutende Haltung, ganz knapp über den Boden ausgeführt, verbunden wäre. Vereinfacht gesagt: während die männliche Entleerung selbst in der Öffentlichkeit leicht, oft sogar ganz unauffällig erfolgen kann, stößt das weibliche Pendant der Handlung zumeist auf unüberwindbare Hindernisse. Das setzt sich selbst auf den für die Entleerung vorgesehenen Orten fort. Hier stellt es ja ein alt bekanntes Problem häuslicher Hygiene dar, dass die Männer zum Pinkeln nur ihren Hosenschlitz öffnen, um stehend ihr Wasser abzulassen, ein Vorgang der bereits nach physikalischen Grundsätzen nie ohne unkontrollierbare side effects zielgenau zu bewirken ist. Und denken sie dann noch an die Bevorzugung der männlichen Entleerung selbst beim Gebrauch öffentlicher Toiletten. Während sich, natürlich baulich durch eine weitaus geringere Raumbeanspruchung begünstigt, in kurzer Zeit auch eine größere Anzahl der Männer dort entleeren kann, stehen die Frauen in oft langen Schlangen wartend vor den wenigen WC-Abteilen bis in den für alle Geschlechter zugänglichen Bereich hineinreichend und sind dort nicht selten den mitleidvollen Blicken der wieder rasch aus dem Pissoir zurückkehrenden Männern ausgesetzt, von deren oft wenig verständnisvollen Bemerkungen ganz zu schweigen.

RL: Diese erleichterte Fähigkeit zum Entleeren der männlichen Blase hat natürlich auch andere unangenehmen Folgen. Die Männer entleeren sich überall, in jedem Winkel. Der Gestank legt hinreichend Zeugnis. In dem einst beschaulichen Freiburg in Breisgau wurden dieser Tage nicht nur zwei Frauen missbraucht und ermordet, sondern auch ein Wildpinkler beim Urinieren in einer Telefonzelle nahe dem altehrwürdigen Münster von zwei Männern erschlagen.

Willich: Natürlich führen wie stets im Leben erleichterte Bedingungen sehr rasch zum vermehrten Missbrauch. Damit wird dieser Gebrauch im Übrigen und als solcher aber nicht ebenso missbräuchlich. Nur weil man im Stehen rasch ganz einfach überall sein Wasser lassen kann, auch an den unerwünschtesten Stellen, diskriminiert dies nicht eine jede dieser Handlungen und dass, sich im Stehen zu entleeren, von vorneherein gewissermaßen schon der Natur nach mit der Gefahr verbunden wäre, dies rücksichtslos an jedem denkbaren Ort zu erledigen, wird von mancher Seite recht polemisch zwar behauptet, aber ist ein Argument, mit dem man jede Freiheit zugleich verbieten könnte, denn Freiheit lebt natürlich davon, ihre Grenze auch überschreiten zu können. Ihr ethischer Inhalt ist es gerade, bestimmte Dinge, obwohl man es könnte, nicht zu tun. Wenn aber ein solches Totschlagsargument angeführt wird, führen deren Apologeten regelmäßig ganz anderes im Sinn. Lee Kuan Yew, der langjährige erste Premierministers und gewissermaßen der Gründer des modernen Singapurs berichtete im hohen Alter über die Schwierigkeiten, die er hatte, es den Männern abzugewöhnen, in den Kabinen der Aufzüge der immer höher werdenden Gebäude zu urinieren. Denn die meisten seiner Bürger kamen aus einfachen ländlichen Verhältnissen, wo man es gewohnt war, seine Notdurft gerade dort zu verrichten, wo man sich unbeobachtet wähnte. Diese Voraussetzung erfüllten natürlich Lifte stets dann, wenn sie nur von jemandem allein benutzt wurden. Es bedurfte über viele Jahre einer sehr harten Hand, mit drakonischen Strafen, diese Art des Wildpinkelns erfolgreich zu bekämpfen. Niemand wäre dabei aber auf die Idee gekommen, allein in der Möglichkeit, sich im Stehen zu entleeren, den Grund allen üblen Gestanks in den Aufzugskabinen zu finden. Das aber, und hierin besteht der wesentliche Unterschied zu bloßen ordnungspolitischen Maßnahmen, wollen diejenigen, die nunmehr über den Vorwand, die unappetitlichen Auswirkungen des wilden Pinkelns zu beschränken, das Übel gewissermaßen an der Wurzel, das ist der im Stehen freigelegte Penis, auszurotten und im Übrigen die Männer, wenn nicht in die Hocke, dann wenigstens auf die Knie zu zwingen.

RL: Sie meinen, die Verbote des Wildpinkelns zielen weniger auf die Vermeidung der Verschmutzung als auf die mit der Entleerung im Stehen verbundenen möglicherweise auch im Sinne eines Patriarchalismus zu deutenden Geste?

Willich: Natürlich wollen etwa die Ordnungsämter der Städte, die Geldbußen für freies Urinieren in öffentlichen Einrichtungen verhängen, nur die Verschmutzung in Gebäuden und Anlagen ahnden, und mehr noch Anreize schaffen, sich hinreichend bis zur nächsten Toilette zu beherrschen. Dieses Motiv wird aber der zunehmenden Problematisierung dieses Themas nicht mehr gerecht. Denn der Kreis rechtlicher Regeln, die sich mit diesem Phänomen befassen, weitet sich immer weiter aus, von der Erregung öffentlichen Ärgernisses bis hin zu den Tatbeständen des Sexualstrafrechts, wie das Verbot der zur geschlechtlichen Erregung erfolgenden Zurschaustellung männlicher Geschlechtsorgane, also eines exhibitionistischen Verhaltens. Die Vehemenz, mit der in bestimmten Kreisen über Formen des freien oder auch wilden Pinkels diskutiert wird, belehrt uns eines sehr viel Weiteren; hier kündigt sich ein neuer Kulturkampf mit feministischen Zielsetzungen an.

RL: Das ist starker Tobak.

Willich: Mag so scheinen, ist es aber nicht. Denn man kann diesen Angriff auf die männliche Sonderstellung im Hinblick auf den von der Evolution ermöglichten vereinfachten Zugang zu seinem Geschlechtsglied in vielen Lebenslagen durchaus in einem weitaus allgemeineren Zusammenhang stellen.

PL: In welchem?

Willich: Bleiben wir noch beim Entleeren der Blase. Selbst im privaten Bereich finden sich überall Bemühungen, die Männer gewissermaßen in die Knie zu zwingen, indem man ihnen ein schlechtes Gewissen bereitet, man kann das heute auch mit unkorrektem Verhalten umschreiben, wenn sie sich nicht genauso wie Frauen in sitzender Weise entleeren – dem können sie nur dadurch entgehen, dass sie sich wirklich vor die Kloschüssel hinknien und die Schüssel wie ein Urinal benutzen, mithin eine Haltung ähnlich demütig einnehmen wie Frauen bei einem Versuch des Wildpinkelns ihrerseits in der Hocke. Und mehr noch: mittels der Vorstellung von einem Genderklo will man den Männern ihre Pissoirs gänzlich abgewöhnen, nunmehr haben sie sich wie Frauen gemeinsam in die Reihe zu stellen, um auf eine frei werdende Kabine zu warten. Die Schweden sind gerade dabei, dies auch den Männern aufzuerlegen.

RL: Nun über das Genderklo wird ja doch aus anderen Gründen diskutiert, etwa um geschlechtsneutrale oder umgewandelte Personen nicht zu diskriminieren.

Willich: Genau das meinte ich mit der Problemverschiebung, ein Problem wird herausgegriffen, um etwas ganz anderes zu bewirken. Die Frage der Genderdiskriminierung auf öffentlichen Toiletten betrifft eine Gruppe von Personen, die sich im winzigen Promillebereich der möglichen Nutzer bewegt – die aber angeführt wird, um den Männern endlich ihre atavistische Art des Urinierens auszutreiben. Ja mehr noch, nunmehr haben die Genderaktivisten gar die Forderung erhoben, den Schlitz in den Männerhosen zu verbieten, sie sehen hierin eine Diskriminierung der Frauen, denen grundsätzlich nur Hosen mit verschlossenem Zugang im Schritt angeboten werden.

RL: Ist das nicht nur eine Frage eines modischen Accessoires?

Willich: Sollte man meinen, aber hören Sie sich nur einmal die Argumente an. Der Schlitz im Schritt der Hose sei stets ein Merkmal männlicher Vorherrschaft und Beherrschung gewesen. Zu der Zeit, als den Frauen solche Beinkleider zu tragen noch verwehrt war, besaßen manche von ihnen lange Unterhosen mit einer Öffnung mittig im Schritt, die in manchen Regionen auch Schnellpisser genannt wurden. Das sei aber nicht der einzige Grund hierfür gewesen. Denn er spiegelte den Männern die Macht vor, jederzeit über das Geschlecht der Frauen auch verfügen zu können – was auszuüben ihnen wiederum der rasche Griff zur Öffnung des Schlitzes der eigenen Hose ungemein erleichtert habe.

RL: Das scheint nun wirklich weit hergeholt zu sein….

Willich: Natürlich nur dann, wenn man das Argument als wirklich ernst gemeint betrachten würde, aber tatsächlich geht es nicht um den sexuellen Missbrauch, sondern schlicht darum, den Mann in seinem freieren Zugang zu seinem Geschlechtsteil zu beschränken. Ja, betrachten Sie doch einmal die Diskussion zur Prostitution. Frauen, die ihren Körper gegen Geld verkaufen, hat es jedenfalls unter dem Patriarchat schon immer gegeben. Dies galt als unvermeidbar, um den weitaus unbändigeren Trieb des Mannes, seine Spermien in Verfolgung der Evolution zu verteilen - gemessen an dem deutlich geringeren Bedarf der Frauen, ihre um  Dimensionen kleinere  Anzahl an Eiern zu befruchten - beherrschbar zu machen. Manche gingen sogar soweit, in der Prostitution eine Einrichtung zum Schutz der Monogamie zu sehen, hierzu gibt es bekanntlich Aussagen namhafter Kirchengelehrter wie den heiligen Thomas von Aquin. Wir haben es heute, nicht ganz ohne Mitschuld von blauäugigen Liberalisierungen auch unter Beteiligung feministischer Kreise, mit weitverbreiteten Missständen auf dem Feld der Prostitution zu tun, deren schlimmste Form die Zwangsprostitution und der einhergehende Menschenhandel ist. Was sind die Gegenreaktionen? Eine Kriminalisierung aller Männer, die Frauen aufsuchen, die sich ihnen gegen Entgelt hingeben. Da ändert nichts daran, dass sich ganze Scharen von Frauen offen dazu bekennen, sich freiwillig ohne Zwang dazu bereitzufinden, wie eben schon seit Menschengedenken üblich. Das Problem der Zwangsprostitution wird also verwandt, um der Prostitution gänzlich den Garaus zu machen. Das zielt natürlich wiederum auf den Teil, der im besonderen Maße kraft seiner evolutionären genetischen Veranlagung hierauf angewiesen ist, das sind die Männer mit ihrem recht einfach verwendbaren Gliedern und ihrer genetischen Determination. Nebenbei stärkt eine Einschränkung der Prostitution erheblich die Macht der Frauen über die Männer, deren Anforderungen an die Eigenschaften der zum Verkehr bereiten Geschlechtspartner damit natürlich sinken, wie auch deren (nicht unbedingt pekuniär verhandelten) Preise dafür entsprechend steigen. Kulturhistorisch war die Prostitution schon immer vielen Frauen ein Dorn im Auge, weil sie es den Männern erlaubte, sich aus ihrer triebhaften Abhängigkeit von bestimmten Personen zu befreien.

RL: Simplifizieren Sie hier nicht doch die Beziehungen der Geschlechter zueinander zu stark, Herr Professor?

Willich: Keineswegs, schauen Sie (greift zur Aktentasche), ja, hier, eine brandneue soziologische Studien über Genderverhalten: während 46 % der befragten verheirateten oder seit mehr als einem Jahr in einer festen Partnerschaft lebenden Frauen davon überzeugt sind, dass ihre Männer sexuell auf sie angewiesen sind, sind nur 8 % der Männer der gleichen Meinung in Bezug auf ihre Partnerinnen. Da kann es doch kaum noch eine Frage sein, wessen Stellung durch eine generelle Kriminalisierung der Prostitution gestärkt werden würde. Die gesamte Genderdiskussion, von der Prostitution, über das Genderklo bis zur Wildpinkelei, zielt doch eindeutig auf eins: auf den Penis und seine naturgegebene freiere Verwendbarkeit. Manchmal kann ich mich bei manchen Vorschlägen nicht des Eindrucks erwehren: die beste Lösung wäre wohl, ihn einfach abzuschneiden, also die Kastration.

RL: Welche Bedeutung soll denn dann noch dem Penisneid zukommen?

Willich: Freud konstatierte selbst schon bei vielen Frauen das Minderwertigkeitsgefühl, verglichen mit den Männern kastriert zu sein. Nichts liegt näher, als den Spieß einfach herumzudrehen. Das erleben wir in diesen modernen Genderbewegungen, sie sind geradezu der Beweis von Freuds Postulat vom Penisneid. Schauen Sie sich doch diese lächerlichen genderbedingten Sprachdiskussionen um die Bildung eines genderkorrekten Plurals an. Ja was prangt Ihnen da in dem großgeschriebenen I entgegen, um zur genderkorrekten Mehrzahl überzuleiten? Ein stilisierter Phallus, wie ein Malzeichen, das der Schmach vermeintlicher Herrschaft des Penis den Männern überall entgegentritt, sobald sie sich aus ihrer Singularität hinausbegeben. Das ist mehr als bloße Symbolik, das ist Herrschaftsgebaren. Dabei übergehen die FeministInnen (darin beziehe ich die ihr Lied verbreitenden Männer ebenso mit ein, was Sie bitte durch eben dieses großgeschriebene I dokumentieren möchten) die schlichte Tatsache, dass der weibliche bestimmte Artikel „die“ schon aus früheren Zeiten matrilinearer Herrschaft herrührend den Plural feminisiert hatte, damals aus der Erfahrung heraus, dass allein ein Weib aus eins zwei und auch mehr machen zu können schien. Sie sehen, auch Freuds Theorie vom Penisneid wird am schlüssigsten von ihren Gegnern selbst bestätigt, wie im richtigen Leben, denn Dinge, die man benennt, haben es nötig.

RL: Wir danken Ihnen, Herr Professor, für dieses Gespräch und wünschen Ihnen und Ihren Kolleg*innen weiterhin Erfolg bei Ihrer Arbeit.